Über Gerd Achgelis

Gerd Achgelis – ein ganz besonderer Flieger aus unserer Heimat
Gerd Achgelis wurde am 16. Juli 1908 in Golzwarden geboren. Nach Ende der Schulzeit begann er 1922 im Alter von 16 Jahren in Varel eine Lehre als Elektriker. In einer kleiner Anekdote, festgehalten in einem privaten Extra-Blatt der Huder Nachrichten aus dem Jahre 1933 steht, dass der junge Gerd Achgelis mit seinem Motorrad die Straßen unsicher machte. Weiter ist zu lesen: (…) „Da wusste er: – – – Fahren kann jedermann, doch Fliegen, ja, Fliegen nicht Jeder kann”. Vielleicht lässt sich in diesen Zeilen bereits die Zukunft des jungen Achgelis erahnen.

Mit 18 Jahren startet Gerd Achgelis durch
Im Jahre 1926/27 erwarb Gerd Achgelis die Flugzeugführerlizenz bei Focke-Wulf in Bremen. Mit 20 Jahren folgte die Kunstflugausbildung in Böblingen bei der Fliegerschule der Deutschen Luftfahrt GmbH. Nur wenig später, am 23. August 1929, stellte er dann schon einen ersten Rekord im Rückenflug auf. Auf diesen Rekord hatte sich Gerd Achgelis in vielen Trainingsstunden auf seinem Rhönrad vorbereitet.

Foto historisch aus der privaten Familiensammlung Achgelis/Wachtendorf

Mit 37 Minuten war der Rekord um 21 Minuten länger, als der des Rekordhalters Gerhard Fieseler. In einem Bericht schreibt Achgelis: „Nachdem ich glaubte, genügend Übung im Rückenflug zu haben, ging ich 1929 daran, den Dauerrekord im Rückflug anzugreifen. Ich startete gleich mit einschalteter Rückfluganlage und ging auf 400 Meter Höhe. Sodann drehte ich durch halbe Rolle in die Rückenlage. Mein Motor arbeitete einwandfrei, und so beschloss ich, in dauernden Kurven den Flughafen zu umfliegen. (…) Nach 37 Minuten blieb der Motor stehen, da der Rückentank leer war. Ich nahm meinen Focke-Wulf-„Kiebitz” durch halbe Rolle wieder in die Normallage, erholte mich sehr schnell und setzte nach kurzem Spiralgleitflug zur Landung an. (…) Im Jahr 1930 erzielt Achgelis den 2. Rückenflug-Rekord in England. Im Jahr 1931 gewann er die Kunstflug-Meisterschaft in Berlin.


Eine Stunde im Rückenflug über London
Zur Werbung für die dortige Flugschau und als besonderer Nervenkitzel für die Zuschauer flog Achgelis unter den Themse-Brücken hindurch. Bei den vielen damaligen Flugtagen war für Achgelis gutes Geld zu verdienen. So absolvierte er 1934 in Cleveland/Ohio bereits seine 251. Flugschau. 1931 war das Jahr, in dem Achgelis so richtig loslegte. In Pilotenkreisen gibt es viele Geschichten über Achgelis zu erzählen. Eine davon erzählt, dass Achgelis von einem Flugtag kommend den abfahrbereiten 4-Schrauben-Schnelldampfer „Bremen” in Bremerhaven nur noch erreichen konnte, indem er direkt neben dem Überseedampfer auf der Columbuskaje landete.

Im In- und Ausland eilte er von einer Veranstaltung zur Nächsten. Arbeitete ehrenamtlich als Fluglehrer für den Bremer Verein für Luftfahrt sowie als Fluglehrer am Technikum Weimar als Testpilot. Seine Stelle als Chefpilot bei Focke-Wulf in Bremen und in Berlin bei Albatros trat er 1933 an. 1934 belegte er in Paris den dritten Platz bei den Kunstflug-Europameisterschaften und sein guter Freund Ernst Udet vermittelte ihn den Sprung über den „großen Teich” in die USA. Dort ging es zu den richtig großen Veranstaltungen nach New York, Ohmaha/Nebraska, nach Cleveland/Ohio.


Mit dem „Stösser” nach Los Angeles
Nach einem Transkontinental-Flug von New York nach Los Angeles, einer reinen Flugzeit von 25 Stunden und einer Flugstrecke von 6000 km landete Gerd Achgelis am 10. August 1936 wohlbehalten in Los Angeles.
Gerd Achgelis belegte 1936 bei den National Air Races in Los Angeles den zweiten Platz im Kunstflugwettbewerb. Er flog dabei seinen neuen Fw 56 „Stösser”.
Danach ging es für Gerd Achgelis weiter nach Japan und nach China. Immer mit dabei war sein Mechaniker Otto Weishaar.


Der gutaussehende Achgelis avancierte zum Frauenschwarm und
sein Charme machte ihn zum Liebling der Medien
In der ganzen Welt hatte sich der Ruhm des deutschen, tollkühnen Piloten herumgesprochen und viele Berühmtheiten suchten die Nähe zu Gerd Achgelis.
Auch Clark Gable, der weltberühmte US Schauspieler, besuchte 1936 die Luftfahrtschau in Los Angeles. Begeistert von Achgelis Vorstellung schenkte er ihm spontan sein Sakko.

Das Foto, vermutlich auf der Luftfahrtschau 1936 in Los Angeles entstanden, zeigt v.l.n.r.: E.B. Gilmore und Gerd Achgelis vor dem „Stösser” im Sakko von Clark Gable. E.B. Gilmore, Chef der Gilmore Oil Company, holte Gerd Achgelis in die USA. (Foto historisch aus der privaten Familiensammlung Achgelis/Wachtendorf)

Bis heute ist das Sakko erhalten und wird in einer Ausstellung auf dem Fliegerabend zu bewundern sein. Gerd Achgelis genoss den Weltruhm. Weitere Berühmtheiten der damaligen Zeit, unter ihnen Charles Lindbergh, Henry Ford, Charly Chaplin, Heinz Rühmann und auch der 31. US Präsident, Herbert C. Hoover, zählten dazu.
In einem Freikorps-Drama mit Hans Albers simulierte er 1935 den Absturz mit einer brennenden Maschine, in der Gründgens-Komödie „Capriolen“ von 1937 legte er als männliches Double von Marianne Hoppe eine Bruchlandung im Misthaufen hin. Achgelis doubelte 1941 auch als Stunt-Pilot Heinz Rühmann im Film: „Quax der Bruchpilot”.

Großes Aufsehen erregte Achgelis bei seinem Nordlandflug. Mit seinem AGO-Kurier, einem neuen deutschen Reise- und Verkehrsflugzeug flog er in nur acht Stunden von Berlin über Dänemark nach Schweden, Finnland und Norwegen.
Während seiner fliegerischen Laufbahn holte Gerd Achgelis dreimal den Weltmeistertitel und viele erste Plätze auf nationalen und internationalen Flugveranstaltungen.


Achgelis war auch als Geschäftsmann erfolgreich
Als „Einflieger” erprobte er bei Focke-Wulf/Albatros in Berlin neue Flugzeugtypen und wurde Mitinhaber der Hubschrauberfertigung von Focke, Achgelis & Co. GmbH in Delmenhorst.
Henrich Focke, einer der beiden Gründer der Fa. Focke-Wulf Flugzeugbau GmbH in Bremen beschäftigte sich ab den frühen 1930er Jahren mit Drehflügel-Flugzeugen. Unter Lizenz des Spaniers Juan de la Cieva baute Henrich Focke die ersten Tragschrauber in Bremen und entwickelte sie weiter zum ersten funktionierenden Hubschrauber der Welt.

Den Focke-Wulf Fw 61: Erstflug am 26. Juni 1936 mit Ewald Rohlfs am Steuer. Kurz nach seinem Ausscheiden aus der Fa. Focke-Wulf wurde zusammen mit Gerd Achgelis 1937 die Fa. Focke-Achgelis & Co. GmbH gegründet. Sie etablierte sich in Delmenhorst/Hoykenkamp und brachte erfolgreiche Modelle heraus,wie z.B. den Transport-Hubschrauber Fa. 223 „Drache” (ca. 20 Stück) und den Beobachter-Tragschrauber Fa 330 „Bachstelze” (ca. 100 Stück). 1944 erlosch die Firma dann wieder.
Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs arbeitete Gerd Achgelis als Testpilot in einer Flugzeugfabrik in Graudenz.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Achgelis auf den elterlichen Hof in Schweiburg zurück und ab 1952 ging er einer kaufmännischen Tätigkeit in Hude nach. Gerd Achgelis blieb weiterhin seiner fliegerischen Leidenschaft verbunden. Der Flugplatz Oldenburg-Hatten (ICAO: EDWH) wurde 1963 von Mitgliedern des Oldenburger Motorflug-Vereins gegründet und aus alten Luftwaffenbaracken der 40er Jahre aufgebaut. Zu den Initiatoren gehörte der bekannte Flieger Gerd Achgelis.


Die Ehrenmedaille der Stadt Paris
(Bericht vom 18. 6. 1977 in der NWZ)
„Hude. Mit der „Ehrenmedaille der Stadt Paris” kehrte der ehemalige internationale Kunstflugmeister Gerd Achgelis Anfang der Woche von einem Treffen mit französischen Fliegern an seinen Wohnort Hude zurück; Jaques Chirac, früherer Ministerpräsident und jetzt Oberbürgermeister der französischen Hauptstadt, hatte Achgelis die hohe Auszeichnung für dessen Verdienste um die deutsch-französische Verständigung verliehen. Achgelis war in diesem Jahr der einzige Deutsche, der diese Auszeichnung erhielt.
Für den 69jährigen ehemaligen Kunstflieger aus Hude kam „der große Bahnhof” im Rathaus von Paris völlig überraschend; Achgelis war nach Frankreich gefahren, um am Treffen einer dortigen Flieger-Kameradschaft anlässlich des Pariser Luftfahrt-Salons und des Lindbergh-Jubiläums teilzunehmen”.

Unter den Gästen am Fliegerabend war auch „Kiki” Achgelis, Tochter von Gerd Achgelis, und sie berichtete vom Frankreich-Ausflug im Jahre 1977: „Als junge Studentin hatte ich meinen Vater nach Paris zum Empfang der Flieger begleitet. Als plötzlich der Name meines Vaters in Verbindung mit der Ehrung fiel sagte Vater, bescheiden wir er war: ,Ick doch nich’. Am Ende der Veranstaltung erhoffte Vater sich eine eine tolle kulinarische Stärkung. Er schaute bereits auf den Tisch mit den herrlichen Meeresfrüchten und in seiner typisch norddeutschen Mundart fragte Vater: „Mien Deern, hoffentlich gibt es gleich noch was zu essen”.
Aber bei näherem Hinsehen entpuppten sich die Meeresfrüchte als Schokoladenmuscheln. Nicht gespart dagegen wurde mit edlem Champagna, den haben wir dann reichlich probiert und beschwingt den Empfang verlassen. Unseren großen Appetit konnten wir dann in unserem Hotel stillen, lachte Kiki Achgelis”.

Auf dem Foto v.l.n.r.: Thomas Liebelt (Kavalier der Lüfte 2022) und „Kiki” Achgelis vor dem karierten Sakko, das Gerd Achgelis auf der Luftfahrtschau 1936 in Los Angeles von Clark Gable bekommen hatte. Foto: Fred Vosteen

Der Luftfahrtpionier Gerd Achgelis verstarb am 18. Mai 1991 in Hude. Sein Vermächtnis ist bis heute die von ihm ins Leben gerufene Stiftung „Kavalier der Lüfte”.


Zusatz:

Gerd Achgelis war 1950 einer der Gründungsmitglieder des Luftsportverein Hude e.V. (LSV Hude).

Die Gemeinde Hude hat ihm zu Ehren einen Straße nach seinem Namen benannt; den „Gerd-Achgelis-Weg„. Und passend dazu befinden sich hier fliegerische Aktivitäten des  LSV Hude. Der LSV Hude unterhält für die Modellsport-Abteilung einen eigenen Modellflugplatz.